Genießen Beschäftigte nicht den Schutz eines Tarifvertrages, bedeutet das nicht nur für sie persönlich weniger Geld im Portemonnaie – die Tarifflucht kommt letzten Endes auch die Allgemeinheit teuer zu stehen. Neueste DGB-Berechnungen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen: Durch Lohndumping und fehlende Tarifbindung in Rheinland-Pfalz haben die Sozialversicherungen jährlich rund 2 Milliarden Euro weniger Einnahmen. Zusätzlich entgehen dem Fiskus etwa 1,16 Milliarden Euro an Einkommensteuereinnahmen.
Die mangelnde Tarifbindung schmälert zugleich die Kaufkraft der Beschäftigten erheblich: Wer hierzulande nicht nach Tarif bezahlt wird, hat im Jahresdurchschnitt über alle Branchen hinweg netto 3157 Euro weniger auf dem Lohnzettel. Hätte Rheinland-Pfalz flächendeckende Tarifbindung, stünden den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern jährlich insgesamt rund 2,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Addiert man alle Kosten zusammen, also die Mindereinnahmen bei den Sozialversicherungen, dem Fiskus und im Geldbeutel der Beschäftigten, ergibt sich ein Schaden von fast 6 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Tarifverträge sind nicht nur ein Instrument für faire Löhne, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Investition in Stabilität und soziale Sicherheit.
„In Deutschland profitiert heute nur noch etwa jede zweite Beschäftigte von einem Tarifvertrag – eine Entwicklung, die uns alarmiert. Tarifflucht betrifft uns alle: Tarifverträge garantieren nicht nur höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub, sondern ermöglichen Beschäftigten auch, ihre Arbeitsbedingungen aktiv mitzugestalten“, erklärt Susanne Wingertszahn, Vorsitzende DGB Rheinland-Pfalz / Saarland.
„Wir setzen uns für eine Trendwende ein und fordern besseren Tarifschutz für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Arbeitgeber werden wir an ihre soziale Verantwortung erinnern – und die Politik muss endlich die Rahmenbedingungen schaffen, damit Tarifbindung wieder zur Regel wird: Im Rahmen der EU-Mindestlohn-Richtlinie steht die Bundesregierung in der Pflicht, dafür bis Jahresende einen nationalen Aktionsplan mit wirksamen Maßnahmen vorzulegen. Darauf werden wir aktiv hinwirken. Denn eines ist klar: Eine hohe Tarifbindung ist kein Hemmschuh, sondern ein Motor für wirtschaftliches Wachstum – sie stärkt die Binnennachfrage und sichert gute, nachhaltige Arbeit“, so Wingertszahn.
Der DGB fordert, dass öffentliche Aufträge und Fördermittel grundsätzlich nur an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge anwenden. Deshalb muss die Koalition im Bund schnell das Bundestariftreuegesetz beschließen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – Gewerkschaften ein verbessertes digitales Zugangsrecht zu den Betrieben einräumen und die steuerliche Absetzbarkeit von Gewerkschaftsbeiträgen erleichtern.
Zusätzlich braucht es weitreichende Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung: Bei Aufspaltung oder Abspaltung von Unternehmen müssen bestehende Tarifverträge bis zu einer neuen Vereinbarung fortgelten. Zudem muss es leichter werden, Tarifverträge für alle Unternehmen einer Branche allgemeinverbindlich zu erklären.
Die DGB-Berechnungen basieren auf der jüngsten Verdiensterhebung (VE), die das Statistische Bundesamt zuletzt für das Jahr 2024 erhoben hat.