Interview mit Toni Schüller

Datum

Jahrgang 1937, geboren in Polch

1951 – 54 Ausbildung zum Former im Eisenwerk Metternich 

1951 Eintritt in die IG Metall

1954 – 79 Former und Facharbeiter 

1962 – 80 Betriebsratsvorsitzender 

Ab 1968 Ehrenamtlicher Arbeitsrichter 

Ehemaliger Vorsitzender des DGB Ortskartell Kottenheim

1979 -1995 DGB Kreisvorsitzender Rhein-Mosel-Ahr

1995 -2001 DGB Regionsvorsitzender Koblenz 

Seit 1967 Mitglied der SPD

1979 – 2014 Ortsbürgermeister von Kottenheim, seit 2014 Ehrenbürger  

30 Jahre Mitglied im Kreistag

Ausgezeichnet mit: 
Ehrennadel des Landes RLP 1983, 
Bundesverdienstkreuz am Bande 1992, 
Verdienstorden des Landes RLP 1997, 
Willy-Brandt-Medaille 2005

 

Wie bist du zu deinem gewerkschaftlichen Engagement gekommen, Toni?

Als ich mit der Schule fertig war, das war 1951 war es schwierig, eine Lehrstelle zu finden. Im Eisenwerk Metternich waren die meisten Arbeiter aus Polch und so ist meine Mutter mit mir nach Metternich ins Werk gefahren. Der Chef war von den Polcher Arbeitern angetan, die waren zuverlässig, deshalb bekam ich auch die Lehrstelle. Mein Lohn waren 43 DM im Monat.

Am 1. August 1951 fing ich an und direkt am ersten Tag kam der Vorarbeiter Fritz Wichmann zu uns fünf Lehrlingen und sagte uns, dass es schön wäre, wenn wir auch eintreten in die Gewerkschaft. „Besprecht das mit euren Eltern und sagt mir Bescheid.“ Das habe ich dann getan und so bin ich Mitglied geworden. Der Wochenbeitrag waren damals 10 Pfennig. 

 

Was war dir wichtig, was wolltest du erreichen?

Zunächst war wichtig, dass ich lerne und dass ich mir Wissen aneigne. Ich habe die gestandenen Betriebsräte erlebt und war beeindruckt. Sie haben mir imponiert. Also habe ich dann zur Weiterqualifizierung Seminare bei der Gewerkschaft IG Metall im Bezirk Frankfurt gemacht. Das war in meinem Urlaub, denn ich wollte etwas lernen. Die hießen erst: „Technischer Fortschritt“ und dann „Technischer Wandel“. Außerdem war ich sechs Wochen am Stück in Sprockhövel und habe das Betriebsverfassungsgesetz kennengelernt. 

Bei Fritz Franzen, dem Vorgänger von Reiner Göbel, bei der IG Metall Koblenz war ich dann Vorsitzender eines Arbeitskreises und so bin ich langsam in die Gewerkschaftsarbeit hineingewachsen, bin Betriebsrat geworden, später Betriebsratsvorsitzender. Das war ich von 1962 – 1980 im Eisenwerk Metternich. Ich war auch einige Jahre der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Koblenz.

Mir war immer klar, dass man nur mit Nachhaltigkeit etwas erreichen kann. Mir war immer wichtig der Kontakt zu den Betriebsräten. Ich habe auf unzähligen Betriebsversammlungen geredet. Ich war das Gesicht des DGB auf Demonstrationen, Kundgebungen und auch Bei Streiks. Ich habe bei allen Gewerkschaften des DGB geredet, bei allen Branchen: Bahn, Post, Chemie, Metall, Polizei, Textil, Holz und Kunststoff.

Oft habe ich nach dem Bericht des Arbeitgebers und auch nach dem Betriebsrat gesprochen und habe mich dann in meiner Rede darauf bezogen, habe versucht, zwischen Positionen zu vermitteln. 

Ich war und bin einer von ihnen und das haben sie gespürt. Deshalb trage ich auch keine Auszeichnungen. Ich bin der Toni und das reicht. 

Als mir das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen wurde, wurde ich bei der Verleihung gefragt, auf welcher Seite sie es mir anstecken sollen. Da habe ich gesagt: „Bei mir ist alles links!“

2013 mit Malu Dreyer und Andrea Nahles

Gibt es Erfolge, auf die du stolz bist? 2 oder 3 Beispiele

Ich habe viele Sozialpläne hier in der Region verhandelt. Bei Kaufhof Mayen, Alu-Team Mayen, Möbelfabrik Strimmig und bei Chemie Sinzig, um einige zu nennen. Dabei habe ich immer geschaut, dass die Arbeiter möglichst gut abgesichert werden und eine Perspektive erhalten. Es hat mir jedes Mal weh getan, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und Sozialpläne nötig waren. 

Als ich 1979 gefragt wurde, ob ich Landesvorsitzender werden möchte für den DGB, habe ich mit mir gerungen. Ich war gerade Bürgermeister in Kottenheim geworden. Ein Kollege meinte dann zu mir: „Toni, du kriegst dann auch einen Fahrer, natürlich mehr Geld und kannst auch in den Landtag, dann hast du ausgesorgt.“ Als er mir das sagte, war mir klar, wohin ich gehörte, und habe ihm geantwortet, dass ich nur ein Kotelett essen kann. Und das hatte ich auch in Kottenheim. 

Toni Schüller, Bürgermeister von Kottenheim, seit 2014 Ehrenbürger

Welches Amt hat dir am meisten Spaß gemacht?

Die Ämter, die ich ausgeübt habe, haben mir alle Spaß gemacht. Ich nenne einige: Richter am Landesarbeitsgericht, alternierender Vorsitzender der Arbeitsagentur Mayen, Delegierter in der LVA, lange Jahre im Verwaltungsrat der AOK RLP, im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes in Alzey. Also alles Ämter in der Selbstverwaltung, wo wir als Arbeitnehmer nicht nur gehört werden, sondern mittun können. Das ist wichtig. Ich bin stolz darauf, in alle diese Ämter gewählt worden zu sein, wo man etwas bewegen kann. Es war für den DGB wichtig, dass ich als Sprachrohr dabei war. 

 

In welchem hast du dich am wirksamsten gefühlt?

Mein Interesse war immer die Sozialpolitik und das lässt mich bis heute nicht los. Ich bin schon seit Jahrzehnten Versichertenältester für die Rentenversicherung. Ich habe immer noch einmal die Woche im Gemeindebüro Sprechstunde. Gerade heute morgen hat jemand angerufen, ich soll ihm helfen, den Witwenrentenantrag zu stellen. Oft sind das auch Schicksale, die mich betroffen machen. Und dann helfe ich, so gut ich kann, und habe auch schon vielen in schwierigen Situationen geholfen.

Redner Toni Schüller

Was würdest du einem jungen Kollegen, einer jungen Kollegin heute sagen, wenn sie dich nach einem Rat fragen würde, wie sie ihr Amt als Gewerkschaftssekretärin im DGB am besten ausfüllt?

Mir ist wichtig, dass DGB-Funktionäre aus einem Betrieb kommen. Dann kann man sich besser in die Probleme hineindenken. 

Ich habe in der Gießerei gestanden. Ich weiß, wie sich harte Arbeit anfühlt unter schwierigen Bedingungen wie Hitze oder im Schichtdienst. Und das war wichtig.

Da fällt mir eine Geschichte ein, die ich in der Gießerei erlebt habe. Die Gewerbeaufsicht war im Betrieb und machte uns die Vorgabe, nur noch mit Arbeitsschuhen mit Metallkappe in der Produktion zu arbeiten. Als der Mann dann wollte, dass ich ihn durch den Betrieb führe, habe ich auf seine Schuhe geschaut und ihm deutlich gesagt, dass er mit diesen Sonntagsschuhen von mir keine Führung bekommt. Da haben meine Kollegen nicht schlecht gestaunt, aber für mich galt: Gleiche Pflicht für alle. 

 

Welche Rolle siehst du für den DGB in der Zukunft?

Was ist aus deiner Sicht wichtig für die Gewerkschaften heute?

Gewerkschaften müssen Vorreiter sein. Sie müssen gute Konzepte für die Zukunft haben und von der Politik die Umsetzung fordern. Und die Konzepte haben wir bzgl. Arbeitszeit, Steuern und Rente, um einige zu nennen.

Der Sozialstaat muss auf die drängenden Probleme Antworten geben: Rente, Krankenversicherung, und so weiter und darf die älteren Arbeitnehmer nicht aus dem Blick verlieren. Wenn er keine Antworten hat, bröckelt irgendwann nicht nur der Sozialstaat, sondern auch die Demokratie.

Unternehmer brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, um zu investieren. Dafür ist die Politik zuständig. Im Moment brauchen wir mehr Investitionen, damit Arbeitskräfte gehalten werden können. Und die Tarifbindung muss erhöht werden. 

Es war nie einfach, aber es wird schwieriger. Überall liest man von Personalabbau. Da müssen die Betriebsräte und die Gewerkschaften reagieren. 

Und es gilt immer noch: Der Einzelne erreicht nichts. Ich habe oft auf Demonstrationen gesagt: „Wenn wir uns gegenseitig an die Hand nehmen, dann gibt es keine rote Ampel, die uns aufhalten kann. Dann sind wir mächtig und stark.“

Gewerkschaften bieten etwas für den kleinen Mann, die kleine Frau, was sie sich selbst nur schwer leisten können in schwierigen Situationen. Rechtsschutz, Arbeitsrecht und Tarifbindung. 

Ich freue mich jedes Mal, wenn man von einem Erfolgserlebnis hört oder liest. 

 

Und welches Fazit ziehst du als Gewerkschafter mit Herzblut?

Bei allem, was ich getan habe, habe ich mich immer gefragt: „Wem nützt es?“ und das habe ich oft auch Betriebsräten gesagt: wenn ihr nicht wisst, wie ihr euch zu etwas verhalten sollt, stellt euch diese Frage. Damit könnt ihr entlarven und ihr kommt der Wahrheit näher. Dann wisst ihr, was zu tun ist. 

Also, die Frage „Wem nützt es?“ war für mich ein guter Wegweiser. 

 

Danke, Toni, für das Gespräch und alles Gute für dich!

 

 

Das Gespräch führte Edith Sauerbier, DGB Koblenz 

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