Fabienne, danke für deine Bereitschaft, ein Gespräch mit mir zu führen. Lass uns mitten ins Thema gehen: was hat dich dazu bewogen, dich zu engagieren?
Das ist ganz klar die Möglichkeit, mitzugestalten. Mit anderen etwas zu bewegen. Gemeinsam stark zu sein und etwas zu erreichen. Das hat mich angesprochen und auch meine Bereitschaft zur Mitwirkung gestärkt.
Nach dem Abi hatte ich erst ein Studium aufgenommen, aber schnell gemerkt, dass ich eher praktisch arbeiten möchte. Und da ich mich schon immer für Autos interessierte, lag es nahe, eine Ausbildung zur Mechatronikerin zu machen.
Die Ausbildung habe ich bei Daimler in Koblenz gemacht. Joachim Noll war mein Ausbildungsleiter und schon in den ersten Tagen gab es über die Jugendvertretung im Betrieb Kontakt zur IG Metall. Es war klar, ich werde Mitglied bei der IG Metall. Und wie das so ist, ganz schnell hat frau dann auch einige Funktionen: in der Jugendvertretung im Betrieb, im Ortsjugendausschuss der IGM, dann bin ich Vertrauensfrau geworden, habe in der Tarifkommission mitgearbeitet und mich auch im Handwerk engagiert.
Kannst du ein oder zwei Highlights benennen?
Damals gab es bei Daimler feste Strukturen für die Jugendvertretung und auch viel Unterstützung. Wir haben uns mit den JAVen, sprich den Jugendarbeitnehmervertretungen, in Stuttgart getroffen und haben in Seminaren Wissen vermittelt bekommen. Wir haben uns gemeinsam eingesetzt für zum Beispiel Sicherheitstrainings für die Azubis. Oder wir haben die Möglichkeiten der Bildungsfreistellung hier in Rheinland-Pfalz kennengelernt und diese Infos weitergegeben. Und natürlich war ich auch Vermittlerin, wenn es mal Schwierigkeiten mit einem Ausbilder gab. Diese Vielfältigkeit hat mir Spaß gemacht.
Später als Betriebsratsvorsitzende war ich auch in Einzelfälle involviert und es war einfach ein gutes Erlebnis, wenn zum Beispiel ein Betriebsangehöriger eine Pflegeauszeit nehmen konnte, weil Angehörige krank waren und Pflege brauchten, wenn wir also eine Betriebsvereinbarung wirklich umsetzen konnten. Das war schon gut und hat mich motiviert, diese Arbeit weiterzumachen.
Gleichzeitig habe ich in der Zeit auch viel mit nach Hause genommen, weil mich die Schicksale berührten und beschäftigten.
Die Unterstützung für einen Kollegen oder eine Kollegin habe ich gerne gemacht, das war konkret und konnte meist auch schnell umgesetzt werden.
Die Mitarbeit in der Tarifkommission ist völlig anders: da ist die Umsetzung nicht so schnell zu erreichen, da braucht man Geduld und Verhandlungsgeschick.
Die IG Metall bietet viele Austauschmöglichkeiten, lädt ein, über den Tellerrand zu schauen. Wenn wir zum Beispiel im Ortsvorstand aus den anderen Betrieben wie ZF oder Novelis hörten, welche Betriebsvereinbarungen sie gerade entwickeln, da brauchten wir für Daimler das Rad nicht neu zu erfinden, sondern konnten voneinander lernen und uns gegenseitig unterstützen. Das war schon klasse. Auch im KFZ-Netzwerktreffen haben wir so zusammengearbeitet.
Was brauchst du für ein Ehrenamt? Welche Rahmenbedingungen?
Das ist zuerst einmal auf jeden Fall die Möglichkeit zum Austausch, zur Weiterbildung und zum Netzwerken. Das eigene Süppchen reicht nicht. Wenn man sich mit vielen zusammentut, dann sind die Erfolgschancen größer. Das braucht Zeit und es muss organisiert werden.
Wie schon gesagt, da tut die IGM viel und auch die PerSe-Seminare vom DGB waren da sehr wertvoll.
Und jetzt als Mutter? Du hast zwei Kinder, eines in der Grundschule, das andere im Kindergarten.
Ich muss auf jeden Fall ganz anders managen. Früher konnte ich einfach los, jetzt muss erst die Betreuung der Kinder geregelt sein. Sie haben Hausaufgaben zu machen oder auch schon ein eigenes Nachmittagsprogramm, das ansteht.
Wir haben das Glück, Großeltern zu haben, die die Betreuung übernehmen können. Und dennoch muss es organisiert werden.
Andere junge Mütter oder Eltern haben diese familiäre Unterstützung nicht und dann kommen Kosten für Babysitter oder Betreuungskosten dazu. Da könnte es schon hilfreich sein, wenn es ähnlich wie die Fahrkostenerstattung bei ehrenamtlichen Terminen einen finanziellen Ausgleich gäbe.
Kannst du auch Grenzen benennen, die du erfahren hast?
Wenn ich zurückschaue, dann war die Zeit als Betriebsratsvorsitzende am schwersten. Ich war freigestellt, weil unser Betrieb zu dieser Zeit mehr als 200 Beschäftigte hatte.
Wenn wir als Betriebsrat etwas erreichten, hörte ich: „Dafür haben wir dich ja!“ und der Erfolg schien selbstverständlich. Wenn uns etwas nicht gelang, hörte ich: „Warum habt ihr da nichts gemacht?“ Ich tat mich schwer, damit umzugehen, dass wir es nicht allen recht machen konnten.
Es gab auch immer wieder Sprüche, wenn ich freitags gegen Mittag schon den Betrieb verließ. Dabei sah niemand, dass ich oft noch abends Termine hatte. Um da für Transparenz zu sorgen und auf der sicheren Seite zu sein, habe ich immer gestempelt, auch wenn ich dies durch eine Betriebsvereinbarung nicht hätte tun müssen.
Heute denke ich gerne an diese Zeit zurück, da sie sehr prägend für mich war.
Jetzt arbeite ich in einem Inhaber geführten Handwerksbetrieb und erlebe ein ganz anderes Arbeiten. Im Konzern wird arbeitsteilig gearbeitet, Abläufe sind festgelegt ebenso Zuständigkeiten, hier im kleinen Betrieb ist manches lockerer und direkter. Das finde ich gerade ganz spannend zu erleben.
Du bist Mitglied der neugewählten Vollversammlung der Handwerkskammer Koblenz. Was möchtest du erreichen mit deinem Engagement im Handwerk?
Zunächst einmal will ich sagen, dass ich mich letzte Woche auf der Vollversammlung sehr wohl gefühlt habe in der Gruppe der Arbeitnehmer und -nehmerinnen. Wir sind eine bunte Truppe, Jung und Alt gemischt, auch Frauen und Männer. Die Arbeitgeberseite hätte für diesen Mix noch Luft nach oben 😉
Mir ist nach wie vor wichtig, mich dafür einzusetzen, dass das Handwerk attraktiver wird. Alle stöhnen über den Fachkräftemangel und fragen sich, was man tun kann. Für mich geht es vor allem um mehr Wertschätzung für die gute Arbeit im Handwerk, die auch ohne Uniabschluss gemacht wird. Täglich. Von vielen Tausenden. Da will ich mich für einsetzen.
Und ein Thema könnte auch sein, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse z.B. für die ukrainischen Flüchtlinge viel schneller gehen müsste. Also Bürokratieabbau und genug besetzte Stellen in der Handwerkskammer für die Bearbeitung der Anträge. Hier ist die Handwerkskammer Bindeglied und tut einen wichtigen Job.
Noch ist nicht ganz klar, wie dieses Ehrenamt meinen Alltag beeinflusst. Wichtig ist mir auf jeden Fall auch der Austausch und die gemeinsame Weiterbildung. Da waren die PerSe-Seminare, jetzt PeTra, zentral und ich wünsche mir, dass das weitergeht.
Wir in Koblenz werden in unserer Arbeit unterstützt durch Joachim Noll, der durch seine bundesweiten Tätigkeiten über den Tellerrand von Koblenz hinausschaut und wertvolle Impulse einbringt.
Ich glaube, gemeinsame strategische Überlegungen könnten sinnvoll sein – über die Vorbesprechungen der Sitzungen hinaus. Dann könnten wir auch Tagesordnungspunkte setzen und überlegen, wo wir sie einbringen: in den Vorstand, in den Berufsbildungsausschuss oder in die Vollversammlung.
Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass wir auf offene Ohren stoßen. Das Klima in der Handwerkskammer ist von gegenseitigem Respekt geprägt. Ein Beispiel dafür war für mich, dass der Geschäftsführer der Handwerkskammer zu einem unserer Seminare kam und das Gespräch mit uns als Arbeitnehmervertreter und -vertreterinnen in der Vollversammlung gesucht hat.
Ich freue mich auf die nächsten Jahre. Und aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre weiß ich, dass es sich lohnt, dranzubleiben und hartnäckig zu sein.
Vielleicht am Rande noch eine Erfahrung:
Gerade bin ich neu in unseren Gemeinderat hier im Dorf gewählt und manchmal denke ich, die Gemeinderatsitzungen sind so wie die Betriebsratssitzungen. Damals war die Grundlage das Betriebsverfassungsgesetz, jetzt ist es die Gemeindeordnung, die ich zurzeit noch kennen lerne.
Du hast die Seminare angesprochen, die der DGB für die Mitglieder der Vollversammlung anbietet. Welche Rolle spielt der DGB für dein Tun eigentlich?
Um es ganz einfach zu sagen: der DGB ist die Mama der Gewerkschaften. Er sorgt dafür, dass der Laden läuft und hält die Gewerkschaftsfamilie zusammen.
Wenn ich sage: Frauen und Handwerk. Was fällt dir dazu ein?
Ich will den Frauen Mut machen, sich einzubringen und sich zu beteiligen. Es gilt einfach, dass nicht immer der lauteste Gockel Recht hat. Also, Frauen sollen sich nicht entmutigen lassen, wir sind Teil der Gesellschaft und es ist an uns, uns einzubringen und zu sagen, was wir denken und was wir für sinnvoll halten. Nur so können wir Gehör finden.
Meckern allein reicht nicht. Nur wenn man sich einsetzt, kann sich etwas bewegen und Lösungen entwickelt werden.
Ich bin jetzt in der Familienphase, meine Kinder sind noch klein und gleichzeitig will ich mich einbringen. Wenn sie größer sind, kommt bestimmt eine Zeit, wo wieder mehr Engagement außerhalb der Familie möglich ist als jetzt und das ist in Ordnung.
Danke, Fabienne, für das Gespräch. Und alles Gute für dich, deine Familie und dein Tun.