Deutscher Gewerkschaftsbund

04.12.2012

"Bisherige Europapolitik gescheitert"

Der Vorsitzende des DGB Bezirks West, Dietmar Muscheid, hat am Montag in Mainz erneut eine europäische Sozialunion gefordert. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Europaministerin Margit Conrad, der ehemaligen EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies, dem Europaexperten Klaus Busch sowie dem rheinland-pfälzischen Arbeitgeberpräsident Gerhard Braun sprach er sich für europaweite Mindeststandards beim Thema Mitbestimmung sowie Mindestlöhnen aus.

Das „Friedensprojekt Europa“ könne nur gelingen, wenn gemeinsame Regeln gelten würden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sagte Muscheid. Die einseitige Fixierung auf den Markt müsse aufgehoben werden. Zudem habe sich gezeigt, dass die Politik des Sparens versagt habe. Länder wie Griechenland oder Spanien seien in die Rezession geführt worden. Dadurch sei das, was den Menschen als sparen verkauft worden sei, unterm Strich deutlich teurer, als es entschlossenes Handeln zu Beginn der Krise 2008 gewesen wäre.

Conrad erklärte, es sei notwendig, dass sich die europäische Politik stärker an den Bedürfnis-sen der Menschen ausrichte und soziale Mindeststandards für Löhne, Sicherungssysteme und Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung garantiere.  Die Zukunft Europas werde nicht mit der Griechenlandfrage entschieden, sondern dadurch, dass die Menschen, insbesondere die Jugend, eine Perspektive hätten, vor allem, aber nicht nur in den Krisenländern. Der Pakt für Beschäftigung und nachhaltiges Wachstum, der der Bundesregierung für die Zustimmung zum Fiskalpakt und ESM abgetrotzt worden sei, müsse mit viel mehr Nachdruck und Konsequenz umgesetzt werden. Es mache keinen Mut, „wenn Europa mit Sozialdumping einhergeht“. Zudem warb Conrad für mehr Ehrlichkeit in der Debatte. „Wir haben natürlich eine Transferunion. Solidarität bedeutet immer auch Transfer, das ist auch so gewollt.“

Investieren statt sparen

Die ehemalige EU-Kommissarin und ÖTV-Vorsitzende Wulf-Mathies erklärte, die deutsche Bundesregierung müsse dazu bewegt werden, nicht nur zu sparen, sondern auch zu investieren. Zugleich räumte sie Fehler beim Zustandekommen der Währungsunion ein. So hätten niedrige Zinsen einige europäische Länder zu mehr Schulden verleitet. Gleichzeitig hätten verschiedene Länder „Dumpingsteuern“ für Unternehmen eingeführt und damit den europäischen Partnern geschadet. Wulf-Mathies verteidigte die Agenda-Reformen der rot-grünen Bundesregierung, räumte jedoch ein, dass „nachgesteuert“ werden müsse. Bei den Themen Rente sowie prekäre Beschäftigung sei Deutschland an einem „kritischen Punkt“ angelangt. „Es ist erstaunlich, dass wir solche Zustände dulden.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Wulf-Mathies „spielen auf der Klaviatur des Populismus“ vor. Merkels „Griechenland-Schelte“ eigne sich für bestenfalls für Stammtische. In der Öffentlichkeit werde der Eindruck erweckt, Deutschland habe für Griechenland „das letzte Hemd“ gegeben. „Tatsächlich verdienen wir noch an den Zinsen für die Griechenland-Kredite.“

Zugleich warb Wulf-Mathies dafür, am Projekt Europa festzuhalten. Allein könne Deutschland nicht gegen angelsächsische Liberalisierung oder chinesischen Raubtierkapitalismus bestehen. „Wir müssen die an die Hand nehmen, die unser Wertesystem teilen. Es muss zu schaffen sein“, sagte Wulf-Mathies. Die aktuellen EU-Verträge erlaubten schon „deutlich mehr Europa“ als aktuell. Es fehle lediglich an der Bereitschaft, Kompetenzen abzugeben.

Eurobonds

Der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz 8LVU), Gerhard Braun, verwies darauf, dass Deutschland und Frankreich die ersten Länder gewesen seien, die den Stabilitätspakt gebrochen hätten. Dies habe der Schuldenpolitik Tür und Tor geöffnet. Braun lobte die Hartz-Reformen, durch die Deutschland heute besser dastehe als jemals zuvor. Die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland sei auch auf das erfolgreiche Modell der dualen Ausbildung zurückzuführen, die international Vorbildcharakter habe. Braun lobte auch die deutsche Tarifautonomie. „Die Länder, in denen es einen Mindestlohn gibt, haben die höchste Jugendarbeitslosigkeit“, sagte er. Für eine Rettung des Euro sind nach Ansicht Brauns Eurobonds unerlässlich. „Anders werden wir es nicht schaffen.“ Er sei zudem sicher, „dass wir zu einer Transferunion kommen werden“.

Sozialpolitische Koordinierung

Der Europaexperte Klaus Busch erklärte die bisherige Europapolitik auch der Bundesregierung für gescheitert. Das Resultat der Troika-Politik sei, dass Griechenland 20 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes verloren habe. Noch bei jeder Beurteilung der Lage im Land und bei jeder Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung habe sich die Troika massiv verschätzt. Der jetzige Kurs sei „dramatisch falsch“ und bringe bestenfalls Zeitgewinn. Nötig seien eine europäische Wirtschaftsregierung, sowie eine lohnpolitische und sozialpolitische Koordinierung in Europa. Bei der Einführung von Eurobonds müsse auch darauf geachtet werden, in das Haushaltsgebaren von Ländern, die davon profitierten, „reinreden zu können“.

Busch warnte davor, den Euro aufzugeben. „Wir würden sonst unter anderem Staatsbankrotte erleben, die Ländern keine Chance zur Refinanzierung mehr lassen würden. All dies würde das europäische Projekt insgesamt gefährden. Man hätte 1992 einiges berücksichtigen müssen, jetzt können wir das Rad aber nicht mehr zurückdrehen.“


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