Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 006 - 02.03.2023

Mit Frauen gegen den Fachkräftemangel

Minijob-Falle und Frauendomäne Teilzeit – wie wir die Arbeitsbeteiligung von Frauen erhöhen können

Susanne Wingertszahn, Alexander Graßhoff, Heidrun Schulz

DGB RLP/SL

„Wer Fachkräfte sucht, darf auf Frauen nicht verzichten“, lautet das diesjährige DGB-Motto zum Internationalen Frauentag. Wie aktuell und richtig diese Aussage ist, unterstrich der DGB Rheinland-Pfalz / Saarland am Donnerstag, den 2. März 2023, mit einer Pressekonferenz zum Thema „Minijob-Falle und Frauendomäne Teilzeit – das Potenzial der Frauen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs nutzen“ in Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit. Die Pressekonferenz läutete den frauenpolitischen Monat März mit vielen Aktivitäten der Gewerkschaften um den Equal Pay Day (7. März) und Internationalen Frauentag (8. März) ein.

Der Fachkräftemangel ist eines der bestimmenden Themen derzeit. In Anbetracht des demografischen Wandels wird er sich absehbar noch massiv verschärfen. Um ihm entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Stellschrauben, beispielsweise Einwanderung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das bereits vorhandene Potenzial auszuschöpfen. Und riesiges Potenzial steckt in der Erwerbstätigkeit von Frauen.

„Eine sehr schnelle Lösung für mehr Arbeitskraft ist, dass Teilzeitkräfte, die dies gerne möchten - und das sind in der Regel Frauen - ihr Arbeitsvolumen erhöhen. Dafür müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden“, erklärte Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland.

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen laut Regionaldirektion gestiegen. Mitte vergangenen Jahres waren in Rheinland-Pfalz 690.900 Frauen sozialversicherungspflichtig tätig, 101.900 oder 17,3 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Gemessen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag der Anteil der Frauen bei 46,7 Prozent.

„Im 10-Jahresvergleich hat die Beschäftigung der Frauen mit einer Steigerung von 17,3 Prozent deutlich zugenommen. Insgesamt ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung um 15,1 Prozent gestiegen, die der Männer um 13,3 Prozent“, so Heidrun Schulz, Chefin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit. „Die Gründe sind vielfältig. Neben den gestiegenen Qualifikationen und einem veränderten Rollenverständnis der Frauen trägt auch der demografische Wandel zur Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit bei. Frauen als Fachkräfte zu gewinnen und zu halten sowie alle Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung zu nutzen, bietet Chancen für deren Zukunftssicherung, aber auch für die der Unternehmen.“

Insbesondere die Teilzeitbeschäftigung habe zugenommen. Vom Jahr 2012 bis 2022 erhöhte sich die Teilzeitbeschäftigung der Frauen um 79.200 oder 28,2 Prozent auf 359.700 Beschäftigte. Die Vollzeitbeschäftigung sei dagegen in diesem Zeitraum lediglich um 23.800 oder 7,7 Prozent auf 331.200 beschäftigte Frauen gestiegen. Unverändert sei die Teilzeitbeschäftigung eine Frauendomäne. Rund 80 Prozent der Teilzeitarbeitsverhältnisse würden von Frauen ausgeübt.

„Frauen sind nach wie vor häufiger durch Kinderbetreuung und häusliche Pflege gebunden. Oft ist dies ein Grund für die Teilzeitbeschäftigung. Diese Teilzeitbeschäftigung birgt jedoch ein hohes Altersarmutsrisiko. Die mit verkürzter Arbeitszeit verbundenen Lohneinbußen führen dazu, dass der Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung oft nicht ausreichend ist“, berichtete Heidrun Schulz.

Mitte vergangenen Jahres waren in Rheinland-Pfalz 144.400 Frauen ausschließlich geringfügig beschäftigt. Gemessen an allen Beschäftigten in diesem Bereich lag der Frauenanteil bei 60,6 Prozent.

Aus Sicht des DGB werde in Rheinland-Pfalz und im Saarland zu viel Fachkräfte-Potenzial liegen gelassen, so die Bezirksvorsitzende Susanne Wingertszahn. „Denn aufgrund von Kindererziehung oder Pflege sind Frauen zu einem großen Teil in prekärer Beschäftigung wie Minijobs, in Teilzeit oder gar nicht mehr erwerbstätig. Dieses Potenzial nicht zu nutzten, können sich Wirtschaft und Gesellschaft längst nicht mehr leisten“, warnte Wingertszahn.

Sehr deutlich werde dies am Beispiel der Minijobs. Etwa jede sechste erwerbstätige Frau in Rheinland-Pfalz arbeite ausschließlich in einem Minijob, im Vergleich zu anderen Bundesländern ist Rheinland-Pfalz bei der Minijobquote bei Frauen Spitzenreiter, das Saarland auf Platz drei. „Frauen arbeiten nicht unbedingt freiwillig auf Minijobbasis, aber sie finden insbesondere in den ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz oft keine sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitsplätze, die ihren Bedürfnissen entsprechen“, so Wingertszahn. Dabei seien die Frauen in Minijobs überdurchschnittlich hoch qualifiziert. „Der Minijob ist ein süßes Gift, das langfristig den darin arbeitenden Frauen und außerdem der rheinland-pfälzischen Wirtschaft schadet, weil er den Fachkräftemangel verschärft“, unterstrich Wingertszahn.

Susanne Wingertszahn: „Der DGB fordert deshalb, dass für Teilzeitarbeit die gleichen Bedingungen gelten müssen wie für Vollzeitarbeit. Das heißt also volle Sozialversicherungspflicht ab dem 1. Euro“, so Wingertszahn. Gleichzeitig müssten steuerliche Fehlanreize wie das Ehegattensplitting abgeschafft werden.

Wingertszahn verwies zudem auf die Bedeutung von Tarifverträgen: „Genauso wie Männer verdienen Frauen in Betrieben mit Tarifbindung zirka ein Viertel mehr als ohne. Tarifverträge schaffen Transparenz, Sicherheit und Planbarkeit, die für Frauen wichtig sind“, so die Vorsitzende.

Nicht zuletzt müsse man für eine Erhöhung der Arbeitsbeteiligung von Frauen auch für eine umfassende und verlässliche Kinderbetreuung und Pflegeunterstützung sorgen. Denn da sind Frauen noch immer eingespannter als Männer: Sie investieren täglich rund 90 Minuten mehr für unbezahlte Arbeit.

„In den Agenturen für Arbeit gibt es mit der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt eine konkrete Ansprechpartnerin, die Beschäftigte und Unternehmen in Fragen der Frauenförderung, der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und der familienorientierten Personalpolitik berät. Zusätzlich bietet sie Frauen vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten an. Diese reichen von Vermittlung und Beratung über notwendige Qualifizierung, Telefonaktionstagen, frauenspezifischen Veranstaltungen bis hin zu Bewerbungsseminaren sowie Coachingmaßnahmen“, informiert Schulz.

So werben die Beauftragten laut Schulz für Chancengleichheit auch für die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung. In diesen Fällen einigen sich Auszubildende und Betrieb auf eine individuelle Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit. Somit könne die Ausbildungszeit an die betrieblichen Abläufe und die Bedürfnisse der Auszubildenden angepasst werden. Eine Teilzeitausbildung sei in allen dualen Berufsausbildungen möglich. Sie führe zu einer Verlängerung der Ausbildungsdauer. Dabei spielten die schulische Vorbildung sowie eventuell vorhandene Berufserfahrung der Auszubildenden eine Rolle.

„Als Gewerkschaften appellieren wir an Arbeitgeber*innen und politisch Verantwortliche, endlich die Hürden für Frauen im Erwerbsleben zu schleifen. Ihre gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt muss sichergestellt werden - auch als Voraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaft und eine zukunftssichere Gesellschaft“, stellte Wingertszahn abschließend fest.

Das Positionspapier des DGB-Bundesfrauenausschuss finden Sie unter:
Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten! 13 Forderungen für eine Fachkräftesicherung mit Geschlechterperspektive | DGB Rheinland-Pfalz/Saarland

Weitere Infos rund ums Thema Chancengleichheit finden Sie unter:
Chancengleichheit am Arbeitsmarkt | Bundesagentur für Arbeit 


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